„Wie spät ist es bitte?“ Diese Frage war vor einigen Jahren noch völlig normal. Inzwischen trägt jeder ein Smartphone bei sich und schaut einfach selbst nach. So allgegenwärtig heute die genaue Uhrzeit für die meisten Menschen ist, so lang war der Weg hierhin. Denn von den Anfängen der Uhr bis zum heutigen Zeitanzeige musste die Menschheit viele „Evolutionsstufen“ der Zeiterfassung erklimmen. Die Zeit ist dabei bekanntlich relativ. Genau das zeigt eine kurze Geschichte der Uhr.
Altertum: Der Schattenstab oder die Sonnenuhr
Wir wissen heute nicht genau, ob und wie die Menschen in der Frühzeit der Evolution die Zeit gemessen haben. Eine Orientierung anhand von Sonnenauf- und -untergängen sowie Sonnenlauf ist sehr wahrscheinlich. Denn sonst wäre es nicht zur ersten nachgewiesenen Zeitmessung gekommen – mit der Sonnenuhr. Sicher ist, dass es Abbildungen auf 6.000 Jahre alten Tontafeln gibt, die offenbar einen senkrecht in die Erde gesteckten Holzstab zeigen, der einen Schatten wirft. Dieser sogenannte Schattenstab gilt als erste bekannte Uhr. Bekannter ist er als Sonnenuhr, wie sie die Sumerer und Ägypter spätestens um 3.000 vor Christus und wenig später die Chinesen genutzt haben müssen.
Spannende Nebenerkenntnis: Bereits zu dieser Zeit gab es mehrere Zeitsysteme, an denen sich die heutigen Sekunden, Minuten und Stunden orientieren. Grundlage sind das Sexagesimalsystem der Babylonier (Basiszahl 60) und das daraus entstandene Duodezimalsystem (12er-Einheiten) sowie die Einteilung des Tages der Ägypter in zweimal zwölf gleich lange Abschnitte. Wir benutzen in unseren modernen Uhren noch immer alle drei Einteilungen.
Von der Wasseruhr zur Pendeluhr
Von der Sonnenuhr durch Obelisken oder andere Schattenspender bis zur modernen Uhr gab es jedoch viele weitere Zwischenschritte. Es begann damit, dass Sonnenuhren nur tagsüber und bei Sonnenschein halbwegs passabel funktionierten. Das änderte sich zumindest teilweise durch das System der Wasseruhren. Das einfache Prinzip: Wasser läuft von einem Behälter in einen anderen in einer bestimmten Zeit. Dadurch lassen sich Markierungen abtragen, die einen Bruchteil der – im Wortsinn – verflossenen Zeit kennzeichnen. Ist der Wasserpegel direkt auf Höhe einer der Markierung, lassen sich genaue Stunden oder gar Minuten ablesen. Dieses Prinzip war anfangs ungenau. Später haben die Menschen die Wasseruhr mit Zahnrädern und Gewichten kombiniert. Mit Wasseruhren konnten die Menschen erstmals unabhängig vom Stand bestimmter Himmelskörper messen.
Ähnliche Erfindungen waren die Kerzenuhren oder Räucherstäbchenuhren. Hierbei brannte das Objekt in einer bestimmten Zeit ab, wodurch die bestimmte Zeitspanne – relativ ungenau – festgelegt war. Auch Sanduhren hatten einen ähnlichen Effekt.
Bis zum Ende des Mittelalters waren mechanische Wasseruhren die genauesten Uhren. Sie verfügten bereits über Zifferblatt und Zeiger, teilweise beinhalteten sie einen Gongschlag wie zum Beispiel die bereits 500 nach Christus aufgestellte Herkulesuhr in Gaza. Nach und nach entwickelte sich eine Uhrmacherzunft. In der Folgezeit gaben immer mehr Kirchturmuhren den Takt des Lebens vor. In dieser Zeit entwickelte sich von der Möglichkeit der Zeitmessung flankiert auch die Wissenschaft deutlich weiter.
Feder und Pendel erobern die Uhrenmechanik
Ab dem 16. Jahrhundert gab es mehrere Parallelentwicklungen, die zu Spindeln, Trieb- und Zugfeder-Uhrwerken führten und erstmals Minutenzeiger enthielten. Diese neuen Erfindungen ermöglichten den Uhrmachern, Taschenuhren und Wanduhren zu bauen. Die Uhrwerke schrumpften, die Technik wurde immer filigraner. Die gespannte Feder ebnete den Weg zu völlig neuen und exakteren Uhren. Die Räderwerke hatten nur ein Problem: Sie benötigte einen gleichmäßigen Antrieb. Das gelang mit der sogenannten Hemmung, einem komplexen System aus Zahnrädern, Federn und Gangreglern.
1583 erkannte Galileo Galilei die Bedeutung der Pendelschwingung. Wahrscheinlich auf Basis seiner Beobachtungen und Skizzen entwickelte Christiaan Huygens 1645 die erste Pendeluhr. Ein erneuter Quantensprung in der Uhrenentwicklung. Die Uhrmacher fanden immer neue Uhrenformen bis hin zur Taschenuhr. Die Zeit und damit die Einteilung des täglichen Lebens war dadurch unabhängiger vom Takt der Kirchturmuhr und des Glaubens.
Industrielle Revolution und die Uhrmacherkunst
In der Folgezeit entwickelte sich die Uhrmacherkunst immer weiter. Speziell in der Schweiz, aber auch in Deutschland, England und anderen Ländern entstand ein wahrer Wettstreit um die besten, exaktesten und verspieltesten Uhren. Erfindungen wie der automatische Aufzug und der Kronenaufzug sowie die erste elektromagnetisch betrieben Pendeluhr waren wichtige Etappen auf dem Weg zur modernen Uhr. Die Größe der Zeitmessgeräte ging weiter zurück, der Materialeinsatz verringerte sich, der Zusammenbau beschleunigte sich. Uhren waren plötzlich eine bezahlbare Anschaffung für Bürger. Parallel gewann die Zeitmessung immer mehr an Bedeutung, da mit der industriellen Revolution deutlich stärker als zuvor Arbeitszeiten und Arbeitstakte die Entlohnung steuerten.
Pionier der Uhrmacherkunst: Abraham Louis Breguet
Noch heute gilt der Schweizer Uhrmacher Abraham Louis Breguet als Urvater der modernen Armband- und Taschenuhren. Er verbesserte die Ganggenauigkeit, entwickelte eine neue Unruhe
im Räderwerk durch die Breguet-Spirale und zeigte erstmals einen ewigen Kalender auf einer Uhr an. Nicht zuletzt ist er Entwickler des Tourbillions, einer Vorrichtung zum Ausgleich von Reibung. 1812 fabrizierte er die erste echte Armbanduhr, die sich erst einige Jahrzehnte später nach und nach durchsetzte. Im Zuge seiner Pionierarbeit entstanden viele noch heute aktiven Uhrmanufakturen wie Longines, Cartier, A. Lange & Söhne, Omega und Breitling.
Die moderne Uhr
Im 20. Jahrhundert gab es noch einmal einige wichtige Entwicklungen. Seit Mitte des Jahrhunderts bauen Uhrenmanufakturen serienmäßig noch exaktere Quarzuhren. 1964 ging die erste Cäsium-Atomuhr in Betrieb. Die heute noch gültige weltweite Zeitmessung als CUT (Coordinated Universal Time) entstand. Atomuhren gelten seitdem als Richtwert zur Einstellung von exakten Zeitabständen. Japanische Uhrmacher entwickelten kurz darauf die ersten Digitaluhren.
1982 kam ein Impuls aus völlig anderer Richtung: Polar Sports brachte eine Fitnessarmbanduhr auf den Markt, die nicht nur die Zeit anzeigte, sondern Kreislaufdaten erfasste. Der Vorläufer der Fitnessarmbänder und Smartwatches war geboren. 1989 kam es zu einem weiteren wichtigen Meilenstein. Das deutsche Unternehmen Junghans stellte die erste funkgesteuerte Armbanduhr vor.
Heute ist die Uhrzeit daher völlig selbstverständlich auch auf anderen Geräten wie Smartphones, Computern, im Fernsehen oder auf dem E-Herd zu sehen. Die Uhr ist einerseits eine Massenware, deren Funktion die Anzeige der Zeit ist. Andererseits bieten speziell Armbanduhren viele Funktionen vom Barometer bis zu den Funktionen einer Smartwatch. Ganz am Ende sind viele Uhren jedoch einfach nur elegante und exklusive Statussymbole, die einen Wert an sich darstellen. Die Uhr hat die Zeit nicht verändert. Die Zeit aber die Uhren. Eins bleibt jedoch: Selbst bei exakter Erfassung ist die Zeit weiter relativ.
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